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Wenn Quasimodo trotz Klöcknerin die Regenbogenfahne hisst

Tosenden Beifall gab es am Samstagabend im vollbesetzen Zimmertheater für Tom Kaminsky und seine Show „Alternativen für Dummheit“. Ein fröhlich-sarkastischer Abend voller Wortgewalt, den allerdings zwei Zuschauer in der Pause fluchtartig verließen – vermutlich hatten sie angesichts des Plakats mit Anlehnung an eine blau bevorzugende Partei eine Veranstaltung derer erwartet.

Alle anderen genossen den „Therapieabend für linke Spinner“, eine Konversationstherapie, bei der Kaminsky alias Thomas Busch Kanzler Merz zum herabschauenden Hund machte und Liebeslieder für AfD-Politiker sang, bei denen sich „Böcke“ auf „Höcke“ reimten und echte Zitate von „fortschreitender Afrikanisierung“ ebenso wie Beleidigungen gegen Landtagspräsidentin Muhterrem Aras den erschreckenden Beiklang lieferten. Doch Kaminsky wäre nicht Kaminsky, wenn er nicht ebenso scharf zurück schießen würde – alles selbstverständlich von der Kunstfreiheit gedeckt.

Emil S. oder Horst W.? Krah, der feiste Dominator? Oder der versteckte Intellekt eines Götz Kubitschek – wer wollte, konnte seine blauen Klamotten in von Tom Kaminsky zur Verfügung gestellte Gelbe Säcke packen, denn die Lust an dieser schönen Farbe kann einem ja schon vergehen, so als linker Spinner. Alternativen – natürlich, die waren ja Programm. So servierte Tom Kaminsky einen Pullover strickenden Sänze und die neue Musicalgruppe im Bundestag mit ihrem Quasimodo, der so gern die Regenbogenflagge am Nordturm der Kathedrale Notre Dame aufhängen würde, von der Klöcknerin und Abt Fritzus Merzus jedoch dran gehindert wird – am Ende aber das Liebespaar Julia und Jens rettet – mit der Fahne.

Fehlen durfte hier auch nicht Marianne Rosenberg und ihr Hit „Du gehörst zu mir wie die Masken aus Papier“, mit denen die beiden Verliebten zum Maskenball ziehen. Das Stadtbild? Natürlich, glücklicherweise saßen die Zuschauer im Theater und standen nicht dort rum, man stelle sich das vor. Oder wie es aussähe, wenn die Gäubahn nur noch in Cannstatt hielte – was sich wunderbarerweise auf „Stadtbild“ reimt und so mitgesungen werden konnte. Manche der Songs von Tom Kaminsky sind durch seine vielen Auftritte bei Demos gegen rechts schon regelrechte Gassenhauer geworden, die Refrains also hinlänglich bekannt.

Auch der „Wer hat der AfD ins Hirn gesch…?“ – da sang das ganze Theater begeistert mit. Schließlich reimt sich auch der Algorithmus ein bisschen auf Journalismus – aber wer braucht letzteren schon, wenn er ersteren hat? Für Wahlkämpfer gabs die „Popo-Strategie“ als Empfehlung, die viel mit Popu- und Opportunismus zu tun hat. Und damit, wie man den Onkels und Tanten erzählt, das Migranten dienstags und donnerstags Haustiere verspeisen, süße kleine Katzen und Hunde, echter Pussy-Terror, sowas! Doch Tom Kaminsky ist nicht nur wortgewaltig, denn im echten Leben auch Professor an der Musikhochschule. Und drum gabs sogar noch einen Ausflug in Schönbergs Zwölftonmusik beziehungsweise ins postfaktische Land dort, wo sich alle freuen, wenns wieder mal frischen Bullshit gibt.

Rock’n’Roll durfte ebenfalls nicht fehlen, Herr Kaminsky ist in allen Musikstilen zuhause – und hier wurde, testosterongesteuert, nach Öl und Gas gebohrt: „Drill, Baby, drill!“ Denn schließlich gibt’s hunderte Planeten – was steht da schon auf dem Spiel? Außer, dass man sich eine Wahl-Katarrh einfängt und am Ende die Bundeswehr nicht nur ins rebellische Stuttgart oder zu den Stadtbildproblemen in Dresden geschickt wird, sondern auch ins gute alte Rottweil, wo Migranten den Denkmalschutz gefährden. Und das Publikum dem in seinem – inzwischen doch Chrupalla-blauen Anzug schwitzenden Kaminsky mehrere Zugaben abverlangte.




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